AOK-Gesundheitsgespräch: Emmi Zeulner bekennt sich zur Freiberuflichkeit
MdB Emmi Zeulner (CSU) sprach sich bei einer Veranstaltung der AOK Bayern für den Erhalt der Freiberuflichkeit niedergelassener Mediziner aus – auch wenn die Organisationseinheiten größer werden. Mit ihr saßen am Podium (v.l.): Thomas Benkert (Bayerische Landesapothekerkammer), Dr. Dieter Geis (Bayerischer Hausärzteverband) und Prof. Dr. Jochen Gensichen (Institut für Allgemeinmedizin der LMU).
Angesichts der austauschbaren Floskeln, die Politiker in Diskussionen häufig von sich geben, war es wohltuend, endlich wieder einmal Klartext zu hören. Vielleicht erklärt das auch, warum Zeulner bei der Bundestagswahl 2017 in ihrem Wahlkreis Kulmbach mit 55,4 Prozent das beste Ergebnis in ganz Bayern eingefahren hat. Beim Gesundheitsgespräch der AOK Bayern ging es um die Zukunft der Versorgung im ländlichen Raum. Zeulner sprang kurzfristig für die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml ein, die in Sachen Koalitionsverhandlungen unterwegs war. Mit ihr am Podium saßen Thomas Benkert, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, Dr. Dieter Geis, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, und Prof. Dr. Jochen Gensichen, Institut für Allgemeinmedizin der Universität München.
Ein Drittel über 60
Wie nicht anders zu erwarten, sprach sich Benkert für den Erhalt der Vor-Ort-Apotheke und gegen den Versandhandel verschreibungspflichtiger Medikamente
aus. Hausärztechef Geis warnte vor einer Verschärfung des Landarztmangels. Mehr als ein Drittel der niedergelassenen Hausärzte sei über 60. Schon heute würden in Bayern 189 Ärzte fehlen. Der Hausarztberuf müsse deshalb unbedingt attraktiver werden. Dazu gehörten eine höhere Vergütung, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine Entlastung bei den Bereitschaftsdiensten. Gensichen verwies auf die Fortschritte bei der Ausbildung des Nachwuchses. Mit Ausnahme der Universität Regensburg gebe es mittlerweile an allen medizinischen Fakultäten in Bayern einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin. Größere Organisationseinheiten und eine Konzentration der
Praxen in Mittelzentren hält der Professor aber für unaufhaltsam. Der Grund: „Junge Ärzte wollen im Team arbeiten und keine 50-Stunden-Woche mehr.“ Auch deshalb sei mehr Geld allein nicht die Lösung des Problems.
Einzelpraxis wird bleiben
Zeulner, die vor ihrem VWL-Studium eine Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen hat, erteilte einer „Industrialisierung der Medizin“ eine klare Absage. Größere Einheiten dürften nicht dazu führen, die Freiberuflichkeit infrage zu stellen. Medizinische Versorgungszentren seien aus Sicht der CSU nur sinnvoll, wenn sie unter ärztlicher Leitung stünden. Auch könne es nicht das Ziel sein, dass es bald nur noch angestellte Ärzte gebe. Kapitalgesellschaften dürften nicht die Versorgungslandschaft umkrempeln. Gerade im ländlichen Raum sei die Einzelpraxis weiterhin eine wichtige Säule der Versorgung. Auch den Aufkauf von Vertragsarztsitzen durch Klinikketten sieht die Gesundheitspolitikerin kritisch. Wie Geis sprach sich auch Zeulner für eine Aufwertung des Hausarztberufes aus. Jungen Ärzten müsse man die Vorteile einer Niederlassung im ländlichen Raum besser vermitteln. Ein Schritt dazu könnten Lehrkrankenhäuser außerhalb der großen Metropolen sein. Nachdenken müsse man auch über die Zugangsregelungen zum Medizinstudium. Neben der Abiturnote sollte ehrenamtliches Engagement – etwa im Rettungsdienst oder in der Pflege – stärker berücksichtigt werden.
Tele-Verah entlastet den Arzt
Der scheidende AOK-Chef Helmut Platzer plädierte für mehr Wettbewerb und eine bessere Verzahnung des stationären und des ambulanten Sektors. Die Digitalisierung biete hier großes Potenzial. In diesem Zusammenhang berichtete Hausärzte- Vertreter Geis vom Projekt „Tele-Verah“, dem sich auch sein Verband angeschlossen habe. Der Arzt wird dabei durch speziell geschulte Versorgungsassistentinnen unterstützt. Sie können im Auftrag des Arztes Hausbesuche durchführen und mithilfe eines sogenannten Telemed-Rucksacks Befunde wie den Blutdruck, den Blutzucker oder ein EKG erheben. Die Daten werden in Echtzeit an den Arzt übermittelt, der dann per Webcam über das weitere Vorgehen entscheidet. Ein aufwendiges Datenschutzkonzept stellt sicher, dass die Untersuchungsergebnisse nicht in unbefugte Hände gelangen.
Beispiele wie dieses zeigen, dass man den Ärztemange lim ländlichen Raum durch intelligente Lösungen zumindest abmildern kann. Denn bis die Vielzahl an Maßnahmen ihre Wirkung entfaltet, wird es noch einige Zeit dauern.
Die Schnecke muss schneller werden
Doch wie meinte Sigfried Hasenbein von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft: Das Gesundheitswesen ist momentan noch eine Schnecke, die deutlich schneller werden muss, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können. Die Tatsache, dass die Zahnärzte bei der Diskussion keine Rolle spielten, kann man übrigens durchaus als Erfolg sehen. Schließlich gibt es in Bayern gemäß der Bedarfsplanungsrichtlinie der KZVB nach wie vor keine unterversorgten Gebiete. Doch nur eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Berufsausübung wird dafür sorgen, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Leo Hofmeier