Interview mit der Deutschen Apothekerzeitung: Zeulner (CSU): „Es gibt gute Gründe für das Rx-Versandverbot“

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner will weiterhin für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneien kämpfen – „bis zum Schluss“, wie sie im Gespräch mit DAZ.online bekräftigt. Sie ist überzeugt, dass sich zumindest innerhalb ihrer Bundestagsfraktion eine Mehrheit dafür finden ließe. Gegenüber DAZ.online plädiert sie dafür, die Diskussion erneut aufzurollen.

DAZ.online: Frau Zeulner, gemeinsam mit Ihrem Fraktions- und Parteikollegen Wolfgang Stefinger haben Sie sich zuletzt nochmals öffentlich für die Umsetzung des Rx-Versandverbots ausgesprochen. In der Apothekenbranche war der Glaube an das Verbot zuletzt stark geschrumpft. Welches sind die Beweggründe Ihrer Initiative zu diesem Zeitpunkt?

Zeulner: Es gibt viele gute Gründe für das Rx-Versandverbot. Für mich war es immer das Mittel der Wahl, um auf den Wettbewerbsnachteil für die Vor-Ort-Apotheken zu reagieren. Einer der wichtigsten Beweggründe für mich persönlich ist der Koalitionsvertrag, der vorsieht, dass wir uns für das Verbot einsetzen werden. Das dann auch zu tun und nochmal initiativ zu werden, ist für mich ein Zeichen von verlässlicher Politik.

DAZ.online: Sie haben damals für die CSU an den Verhandlungstischen
gesessen …

Zeulner: Richtig. Ich war dabei und kann mich erinnern, wie wir Fachpolitiker der Union für das Verbot gekämpft haben. Ich bin vertragstreu und würde die Diskussion rund um das Rx-Versandverbot jetzt gerne erneuern und wieder anstoßen.

DAZ.online: Warum fordern Sie das gerade jetzt? Liegt das auch am Einsatz der Apotheken in der Coronakrise?

Zeulner: Wie gesagt, das Verbot war für mich schon vorher das Mittel der Wahl. Aber die Krise hat mir nochmals verdeutlicht, wie wichtig der Einsatz für eine Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung mit Apotheken vor Ort ist. Denn die Apotheken sind ein Grund dafür, dass wir aus der Krise bisher so glimpflich wieder herausgekommen sind. Gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten haben die Apotheker durchgehend dafür gesorgt, dass wir einen niedrigschwelligen Zugang zu jeder Tageszeit zu Heilberuflern hatten und haben. Außerdem stellten die Apotheker innerhalb kürzester Zeit große Mengen Desinfektionsmittel her, einmal mehr haben sie sich als absolut systemrelevant erwiesen. Es geht mir aber auch um weitere politische Forderungen in diesem Zusammenhang.

DAZ.online: Was meinen Sie?

Zeulner: Wir können aus meiner Sicht nicht einerseits fordern, dass die Medikamentenherstellung aus Gründen der Versorgungssicherheit wieder nach Deutschland und Europa zurückgeholt werden soll und andererseits einen größeren Teil der Versorgung durch Versandhändler ins Ausland verlagern. Wenn Sie sich das von der ABDA bei dem ehemaligen Verfassungsrichter  Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio in Auftrag gegebene Rechtsgutachten anschauen, dann werden Sie auch feststellen, dass es beim Rx-Versandverbot keineswegs um Protektionismus geht, sondern um das Interesse der Bundesrepublik, die eigene Arzneimittelversorgung zu sichern und sie kontrollieren zu können. Der Staat hat einen Versorgungsauftrag an die Apotheken weitergegeben. Es ist also in seinem Interesse und auch in seiner Verantwortung, dass die Arzneimittelversorgung zu jeder Zeit gewährleistet ist. Erster Ansprechpartner in der Arzneimittelversorgung müssen daher auch die Apotheken bleiben.

DAZ.online: Das Thema „Kontrollieren“ ist ja ein bekanntes im Versandhandelskonflikt. Denn die deutschen Behörden haben keinerlei Kontrollmöglichkeiten in den großen Versandkonzernen hinter der Grenze. Wie bewerten Sie das?

Zeulner: Selbst wenn in den Versandhäusern noch alles gut und richtig läuft, haben wir auch hierzulande keinen Einblick in die Versorgung – nämlich in dem Moment, wenn das Paket an den Paket-Zustelldienst übergeben wird. Das viel zitierte Beispiel mit dem Insulin im sommerlichen Garten ist ja gut bekannt. Arzneimittel können nicht wie DVDs oder Bücher ausgeliefert werden, sie sind ein besonders schützenswertes Gut. Die Auslieferung ist ja übrigens genauso gut über den Botendienst der Apotheken vor Ort möglich, hier haben wir ja vorgegeben, unter welchen Qualitätsanforderungen der Botendienst angeboten werden muss.

DAZ.online: Viele Gegner des Rx-Versandverbots, darunter Ihr Fraktionskollege und Minister Jens Spahn, aber auch Ihre Parteikollegin Dorothee Bär, sagen ja, dass man das Verbot im Zeitalter der Digitalisierung nicht umsetzen könne, weil dies der digitalen Gesamtentwicklung widerspräche. Was entgegnen Sie diesem Argument?

Zeulner: Ganz einfach: Der Rx-Versandhandel hat für mich überhaupt nichts mit Digitalisierung zu tun, das ist klassischer Versandhandel, wie er schon seit Jahrzehnten auch von anderen Versandhäusern in anderen Wirtschaftszweigen betrieben wird.

DAZ.online: Sehr aufmerksam haben Sie ja sicher auch die Diskussionen innerhalb der Apothekerschaft verfolgt. Die ABDA erklärt, dass sie weiterhin „vorbehaltlos“ hinter dem Rx-Boni-Verbot von Minister Spahn steht und dass das Rx-Versandverbot nur noch eine Alternative sei. Fühlen Sie sich also etwas alleingelassen von den Apothekern an dieser Stelle?

Zeulner: Ich habe in meinen Gesprächen mit der ABDA und anderen Vertretern der Apothekerschaft auf Landesebene stets gehört, dass man weiterhin hinter dem Rx-Versandverbot steht. Auch für die ABDA ist das Rx-Versandverbot weiterhin das Mittel der Wahl. Aber natürlich ist es in der Politik so, dass man bei Meinungsunterschieden Kompromisse finden muss. Und aufgrund der Wichtigkeit des Themas lohnt es sich auch weiter dafür zu kämpfen.

DAZ.online: Es gibt ja weiterhin juristische Zweifel am Rx-Versandverbot, auf die auch Minister Spahn immer wieder verwiesen hat. Wie gehen Sie damit um?

Zeulner: Ich bin mir sicher: Jede Lösung, die wir finden und vorschlagen, wird letztlich beklagt. Deswegen würde ich es versuchen und es auf ein weiteres Verfahren ankommen lassen. Es wird dann die entscheidende Aufgabe sein, den Gerichten genügend Argumente für eine Legitimität des Versandhandelsverbots vorzulegen. Entscheidend ist, dass deutlich wird, dass wir in Deutschland bei der Arzneimittelversorgung ein komplexes ineinandergreifendes nationales System haben, das den Gesundheitsschutz der Bevölkerung als obersten Schutzzweck hat. Hier ist es meiner Ansicht nach ein berechtigtes nationales Interesse, dass der Zugriff der EU in unser Gesundheitssystem eingeschränkt wird. 

DAZ.online: Es bleiben aber die Widerstände in der Koalition und selbst in Ihrer eigenen Fraktion. Herr Spahn hat mehrfach klargestellt, dass mit ihm das Verbot nicht machbar sei.

Zeulner: Sowohl Gesundheitsminister Spahn und ich als auch die Unions- und die SPD-Fraktion haben eine feste, gemeinsame Grundlage: Es ist von allen anerkannt, dass die inhabergeführte Apotheke vor Ort ein wichtiger Bestandteil der flächendeckenden Versorgung ist und geschützt werden sollte. Die berufsethische Gemeinwohlverantwortung der Apotheker liegt unserem System zugrunde. Wir sind uns auch einig, dass wir die solidarischen Grundprinzipien unseres Gesundheitssystems erhalten wollen – das Gemeinwohl geht vor den Verdienstinteressen Einzelner, daher auch die Festpreisbindung. Wenn es um das Rx-Versandverbot geht, stelle ich fest, dass viele Fraktionskollegen diese Position weiterhin unterstützen. Und auch bei der SPD haben sich viele Landespolitiker bereits für das Verbot ausgesprochen. Dazu kommt, dass auch der Bundesrat im letzten Jahr mehrheitlich für ein Versandhandelsverbot gestimmt hat.

DAZ.online: Was werden Sie jetzt weiter unternehmen?

Zeulner: Wir werden das Thema koalitionsintern diskutieren. Aber ich bin mir sicher, dass es zumindest in meiner Fraktion eine Mehrheit für das Rx-Versandverbot gäbe. Ich möchte in die Debatte einbringen, dass es in dieser Diskussion eben nicht um eine Kleinigkeit geht, wir stehen an einem Scheideweg. Denn wenn wir jetzt unser solidarisches Gesundheitssystem mit Boni-Gewährung verwässern, wird das späteren Generationen auf die Füße fallen. Es lohnt sich für mich daher, bis zum Schluss für das Rx-Versandverbot zu kämpfen.

DAZ.online: Frau Zeulner, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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