MdB Zeulner im Interview mit der Neuen Presse zur Situation in der Pflege: „Der Engpass sind nicht die Betten“

19 Covid-19-Patienten liegen derzeit in der Helios Frankenwaldklinik – drei in der Intensivstation, hat das Krankenhaus am Mittwoch mitgeteilt. Eine Expertin erklärt, wo welche Probleme die jüngst kritisierte Klinik hat.

Neue Presse: Frau Zeulner, würden sie heute während der Pandemie noch gerne in einem Krankenhaus als Pflegerin arbeiten?

Zeulner: Ja, denn ich habe immer gerne als Krankenschwester gearbeitet und dazu gehört eben auch die Arbeit während einer Pandemie. Denn ich sehe es wie viele Menschen, die in der Pflege arbeiten: Es ist mehr als nur ein Job, es ist oft wirklich eine Berufung. Es geht um das „mit“ und das „für“ Menschen arbeiten. Diese Kombination macht die Pflege am Menschen – trotz aller täglichen Herausforderungen – zu etwas ganz Besonderem.

Neue Presse: Würden Sie gerne an der Frankenwaldklinik arbeiten?

Zeulner: Ja, die Frankenwaldklinik hat einen guten Ruf. Das Personal gilt als fleißig, kompetent, warmherzig und arbeitet mit hoher Empathie. 

Neue Presse: Sind Schutzmaßnahmen wie regelmäßige Schnelltests, Schutzmasken, usw. an Krankenhäusern wie der Frankenwaldklinik ausreichend?

Zeulner: Das kann ich in diesem Fall nicht konkret beantworten, da ich nicht persönlich vor Ort war und bin. Aber grundsätzlich gilt, dass regelmäßiges Testen mit Schnelltests, Schutzmasken usw. zum Standard einer jeden Klinik in Deutschland gehören müssen und die Regel sind. Und die Zeit der Engpässe, wie wir sie zu Beginn der Pandemie erlebt haben, ist mittlerweile überwunden.

Neue Presse: Wo sehen sie Möglichkeiten den Schutz von Patienten und Mitarbeitern zu erhöhen?

Zeulner: Regelmäßige Tests der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie neu aufgenommener Patientinnen und Patienten sind essentiell, um Infektionsketten zu unterbrechen und weitere Ansteckungen bestmöglich zu verhindern.

Neue Presse: Bisher sind Schnelltests freiwillig, auch in der Frankenwaldklinik. Inwiefern können verpflichtende Schnelltests mehr Schutz bieten?

Zeulner: Dort wo diese Standards nicht sowieso schon gelten, sollten regelmäßige Tests zum Einsatz kommen, um beispielsweise zu Beginn einer Wochenschicht etwaige Infektionen vorab aufdecken zu können. Der PCR-Test ist selbstverständlich derzeit das bessere Instrument, um Corona-Infektionen zu erkennen, dauert aber länger. Wenn aber die Wartezeit nicht eingehalten werden kann oder schnelle Ergebnisse notwendig sind, ist der Schnelltest Mittel der Wahl, um zumindest einen Anteil der Infektionen frühzeitig zu erkennen.

Neue Presse: Zurück zur Frankenwaldklinik: War die Zwangsquarantäne verhältnismäßig?

Zeulner: Aus meiner Sicht war diese nicht verhältnismäßig. Und die Kommunikation  der Verantwortlichen lies deutlich zu wünschen übrig.

Neue Presse: Wie konnte sich die Lage zwischen Betriebsrat, Geschäftsführung und staatlichen Stellen so verschlimmern?

Zeulner: Ganz grundsätzlich, aber wie gesagt aus der Ferne, ist es offensichtlich, dass es Kommunikationsdefizite gibt. Einen Betriebsrat, den ich sehr schätze, der in dieser Frage aber deutlich über das Ziel hinaus geschossen ist. Sowie eine gravierende personelle Unterbesetzten im Gesundheitsamt.  Weiter möchte ich keine Einschätzungen treffen, da der Sachverhalt sich noch in der Aufarbeitung befindet. 

Neue Presse: Die Situation am MVZ zeigt, dass auch Kranke kein Vertrauen mehr in die Klinik haben. Wie lässt sich das wieder ändern?

Zeulner: Ich empfinde es nicht so, dass es kein Vertrauen in das MVZ gibt. Auch hier hört man im Gegenteil, dass engagierte und kompetente Arbeit geleistet wird.

Neue Presse: Die Frankenwaldklinik nimmt wie andere Kliniken im Land nur noch Notfälle an. Pfleger sprechen von einem Notstand. Haben wir einen medizinischen Notstand?

Zeulner: Entscheidend ist, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet ist. Und das ist der Fall. Das verdanken wir den Ärzten, den Pflegekräften und allen im Gesundheitsbereich Tätigen. Denn diese sind in den letzten Wochen und Monaten über sich hinausgewachsen und leisten Unglaubliches. Doch entscheidend ist, dass das kein Dauerzustand sein kann. Für mich war auch schon vor der Krise ganz klar: wir haben einen Pflegenotstand in Bayern und Deutschland, an den wir ran müssen. Und die Maßnahmen der Bundesregierung sind hier noch nicht ausreichend. Und ich weiß auch, dass die CSU auf der Bundesebene im Gesundheitsbereich noch Luft nach oben hat. Alles das was ich zur Stärkung der Pflege beitragen kann, bringe ich in Berlin mit sehr viel Herzblut ein. Aber ja, ich erkenne auch meine politischen Möglichkeiten und Grenzen – was mir manchmal auch persönlich sehr nahe geht, weil ich meine, ich wüsste wie es besser gehen kann.

Neue Presse: In der Frankenwaldklinik waren zeitweise nur noch zwei Intensivbetten frei. Müssen Intensivbetten aufgestockt werden?

Zeulner: Der Engpass sind nicht die Betten an sich, sondern das zur Pflege nötige Personal.

Neue Presse: Pflegerinnen und Pfleger arbeiten teils stundenlang ohne Pause. Wurden sie bisher ausreichend für ihre Arbeit gewürdigt?

Zeulner: Zum einen freue ich mich, dass die Anerkennung gegenüber den Pflegekräften durch das in der Pandemie Geleistete sehr gestiegen ist – das gab es in diesem Maß vorher nicht. Zum anderen sind wir aber von einer gerechten Entlohnung und von ausreichend Personal noch weit entfernt. Dafür kämpfe ich weiter.

Neue Presse: Inwiefern sollten Pflegerinnen und Pfleger über die bisherige Anerkennung hinaus eine Würdigung wie zusätzliche Urlaubstage oder Vergünstigungen im täglichen Leben erhalten?

Zeulner: Es geht nicht um Vergünstigungen im täglichen Leben an sich. Es geht um eine leistungsgerechte Bezahlung, gesellschaftliche Anerkennung und wohl um den wichtigsten Punkt: die Möglichkeit im Pflegebereich „Mensch“ sein zu können und nicht nur als „Arbeitsmaschine“ angesehen zu werden. Deswegen ist es zwingend notwendig die personellen Ressourcen zu erhöhen. Das Gesundheitssystem darf nicht geprägt sein von Gewinnmaximierung, sondern muss gekennzeichnet sein durch Menschlichkeit, Nähe, Geborgenheit und medizinische Versorgung auf höchstem Niveau.

Neue Presse: In Oberfranken fehlen 160 Stellen in der medizinischen Pflege. Wird es nun noch schwieriger Personal zu finden?

Zeulner: Ja, es wird noch schwieriger. Denn Lippenbekenntnisse gab es in den letzten Jahren viele. Aber die ehrlichsten Worte sind Taten. Soll heißen: mehr Personal. Es scheitert im Gesundheitssystem nicht am Geld. Sondern es geht um eine gerechte Verteilung und Transparenz. Ein Anfang ist gemacht mit der Herausnahme der Pflege aus den Fallpauschalen. Die Pflege soll zukünftig nicht mehr das Sparschwein der Krankenhäuser sein. Das war ein harter Kampf, den ich mit Kollegen in den Koalitionsgesprächen gegen den Widerstand des Bundesgesundheitsministeriums und anderen durchgeboxt habe.

Das Gespräch führte Yannick Seiler und wurde im Dezember 2020 in der Neuen Presse veröffentlicht. Quelle: Yannick Seiler / Neue Presse

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