»Wenn eine Frau redet, drehen sich viele Männer um, quatschen, hören nicht mehr zu«

ZEIT-Artikel vom 17.09.2020, von Peter Dausend

»Wenn eine Frau redet, drehen sich viele Männer um, quatschen, hören nicht mehr zu«

Im Bundestag sitzen so wenige Frauen wie zuletzt vor 22 Jahren, damals regierte noch Helmut Kohl. Aktuell liegt der Frauenanteil bei nur noch 31,2 Prozent, und das hat nicht nur mit dem Einzug der männerdominierten AfD zu tun. Auch die Fraktionen von FDP und CDU/CSU zählen deutlich weniger weibliche Abgeordnete als in den vergangenen Legislaturperioden. Das verändert die Stimmung. Wir dokumentieren die Alltagsberichte dreier Parlamentarierinnen.

 

Emmi Zeulner, 33, CSU, seit 2013 Abgeordnete

»Die Medien berichten ja manchmal über Schlägereien in einem Parlament irgendwo auf der Welt: Männer in Anzügen, die aufeinander einprügeln. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass so etwas mal im Bundestag passiert. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher. Wenn es die Männer der AfD nicht mehr auf ihren Sitzen hält, wenn sie sich hinstellen, mit ausgestrecktem Zeigefinger in Richtung eines Redners fuchteln und etwas rufen, was im Lärm untergeht, dann ist das ganze Plenum plötzlich randvoll mit Testosteron. In allen Fraktionen werden Hälse und Gesichter rot. Auch die Männer bei uns werden dann ganz unruhig – und nicht nur die. Ich rutsche dann auch ganz nach vorn auf meine Stuhlkante, spüre, wie sich in mir alles anspannt. Einmal habe ich gedacht: Gleich geht sie los, die Wirtshausschlägerei. Und

glauben Sie mir, da kenne ich mich aus: Ich bin in einem Wirtshaus groß geworden.

 

Ich bin kein Fan der Quote, kann aber die Gründe, warum man sie fordert, nachvollziehen. Ich bezeichne mich auch nicht als Feministin, und ich arbeite mit vielen Männern hervorragend zusammen, bis hin zu unserem Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

 

Aber eins ist klar: Im Bundestag passiert Frauen manches nur deshalb, weil sie Frauen sind. Etwa, dass manche Männer einfach aufhören zuzuhören, wenn eine Frau zu reden beginnt.

 

Ich bin examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin – und die Gesundheitspolitik sowie meine Heimat sind mir besonders wichtig. Ich will da unbedingt etwas erreichen, dränge Kollegen immer wieder dazu, mich zu unterstützen. Von Männern, die so hartnäckig sind, sagt man: ›Die brennen für ihr Thema, haben ein echtes Anliegen.‹ Ich hingegen bekomme zu hören: ›Mädel, sei doch mal ein bisschen anders, du hast doch so viel Potenzial.‹ Das soll heißen: Sei umgänglicher, geschmeidiger, reihe dich schön ein, sei brav und nicht so kämpferisch. So bin ich aber nicht.

 

Es gibt junge Frauen im Parlament, die Schwangerschaften so lange wie möglich verheimlichen und ihr Kind bewusst nicht zum Thema machen. Warum? Weil junge Mütter verschwinden. Nicht physisch, aber aus den Köpfen vieler, die etwas zu entscheiden haben. Eine junge Mutter schläft zu wenig, muss sich ums Kind kümmern, ist also nicht so leistungsstark. Die Karriere wird auf Eis gelegt. Für junge Väter trifft das alles nicht zu. In der Politik hat mancher mittelalte Mann das Frauenbild von Greisen. Das sind 85-Jährige, gefangen im Körper von Mittvierzigern. Dazu passt, dass junge Mütter im Parlamentsbetrieb eigentlich nie vorgesehen waren. Namentliche Abstimmungen abends um 22 Uhr – wie soll das mit einem kleinen Kind gehen?

 

Wenn ich in Diskussionen mit Kollegen darauf hinweise, dass wir zu wenig Frauen haben, wird mir oft entgegnet: ›Was willst du denn, eine Frau ist doch Kanzlerin!‹ Mit dem Verweis auf Angela Merkel wird jede Debatte abgewürgt. Wenn Frau Merkel 2021 abtritt, wird diese Ausrede nicht mehr funktionieren – und das Problem für alle sichtbar sein.

 

Ich merke, dass die Arbeit in diesem männerdominierten Bundestag auch mich verändert hat, wie sie meinen Umgangston immer mehr prägt, auch im Privatleben. Das Bestimmende, Harte, Dominierende schleicht sich ein und setzt sich fest. Wenn ich nach Hause komme, bleibe ich vor der Haustür ganz bewusst kurz stehen und sage mir: Dieser Kommandoton bleibt jetzt hier draußen! Ich schüttele dann Berlin aus mir raus.«

 

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2020 09 17 Sexismus im Bundestag Artikel EZ Beitrag in ZEIT – Peter Dausend

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